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Dynamische Stromtarife: Künstliche Intelligenz reduziert Beschaffungsrisiko für Energieversorger

M it der Einführung dynamischer Stromtarife verändert sich das Marktumfeld für Energieversorger erheblich. Diese müssen ihre Kalkulationsgrundlagen für einen strategisch klugen Stromeinkauf überdenken. Forscher des Fraunhofer IOSB-AST haben für die Stadtwerke Erfurt eine Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt, um den Strombedarf im Kontext dynamischer Stromtarife präzise vorherzusagen.

Dynamische Stromtarife sind für Energieversorger mit neue finanzielle Risiken verbunden, da die herkömmlichen Beschaffungsstrategien nicht mehr praktikabel sind. Die Vielzahl neuer Variablen bei der Bedarfsprognose ist durch manuelles Handeln schwer handhabbar. Allerdings haben die Stadtwerke Erfurt Unterstützung erhalten und können ihren Stromeinkauf nun mit Hilfe Künstlicher Intelligenz optimieren.

Das System, das vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB-AST) entwickelt wurde, zielt darauf ab, das Beschaffungsrisiko durch dynamische Stromtarife zu minimieren. 

Die Erfurter Wissenschaftler nutzten einen frei zugänglichen Datensatz des Forschungsprojektes „WPuQ“ mit 36 Wärmepumpen als Testbasis für ihren Algorithmus. Einige dieser Wärmepumpen waren ungesteuert und nicht von variablen Preisen bestimmt, während andere von solchen Preisen bestimmt, steuerbar und mit einem Wärmespeicher verknüpft waren. Die Forscher konnten den Strombedarf der Wärmepumpen mithilfe der KI bedeutend präziser vorhersagen als mit dem Standardlastprofil.

Aber wo liegt jetzt genau das Risiko?

Energieanbieter erwerben Strom und vertreiben ihn an ihre Endkunden. Das Risiko ist am geringsten, wenn der Anbieter den Strom über Langfristverträge beziehen kann und nur geringe Restmengen am Day-Ahead-Markt und in Notfällen am Spotmarkt beschaffen muss. An diesen kurzfristigen Märkten kann Strom mitunter sehr teuer sein. Verkalkuliert sich der Anbieter, muss er dort größere Mengen zu hohen Preisen einkaufen, während seine Kunden weiterhin den festgelegten Tarif zahlen. Dadurch erleidet der Anbieter finanzielle Verluste. Wenn der Anbieter hingegen zu viel Strom kauft, findet er keinen Abnehmer dafür und verliert ebenfalls Geld. Daher ist eine präzise Bedarfsvorhersage für eine kostengünstige und risikominimierte Strombeschaffung unerlässlich.

Über Jahrzehnte hinweg haben die Anbieter mit Standardlastprofilen gearbeitet, die den durchschnittlichen Stromverbrauch in viertelstündlicher Auflösung über den Tag hinweg abbilden. Diese Profile basieren auf Durchschnittswerten verschiedener Haushaltsgrößen mit unterschiedlichen Anschlussgrößen, wie z.B. Zwei-Personen-Haushalte mit oder ohne Elektroherd. Das Standardlastprofil zeigt typischerweise einen geringen Verbrauch nachts und einen hohen Verbrauch abends. Der Anbieter muss diesen ermittelten Lastgang auf die Anzahl seiner Kunden anwenden, um zu bestimmen, wie viel Strom er stündlich an einem Tag einkaufen muss.

Jetzt zeichnen sich jedoch Veränderungen ab. Seit diesem Jahr müssen Versorger mit mehr als 100.000 Kunden flexible Tarife zur Auswahl haben. Ab 2025 wird dies für alle Anbieter verpflichtend. Der Versorger muss seine Einkaufsstrategie überarbeiten, wenn viele Kunden dynamische Stromtarife nutzen. Wie dies genau umgesetzt werden soll, ist für Stromanbieter noch nicht abschließend geklärt.

Einerseits sollen dynamische Tarife dafür sorgen, dass der Verbrauch zu Zeiten hoher Spotmarktpreise sinkt, wodurch Versorger weniger teuren Strom einkaufen müssen. Andererseits stimmen die Annahmen der Bedarfsberechnung, basierend auf Standardlastprofilen, nicht mehr.

Thomas Jacob, seit 26 Jahren bei den Stadtwerken Erfurt Energie GmbH für Energiebeschaffung und -vermarktung zuständig sagt: „Die untertägige Volatilität wird weiter deutlich zunehmen, sei es durch mehr Einspeisung von Solar- und Windenergie, die Eigenerzeugung der Kunden durch Photovoltaik oder durch flexible Verbrauchseinheiten wie Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und Klimaanlagen.“ Herr Jacobs sagt außerdem: „Mit den Ergebnissen des Fraunhofer IOSB-AST können wir unsere Beschaffungsstrategien optimal an den sich nun ändernden Markt anpassen.“

Der Prozess ist jedoch noch nicht vollendet, da die Integration der Lastgänge von Wärmepumpen in den Prognosealgorithmus erst der Anfang sei.  Auch Wallboxen und lokale Photovoltaikanlagen beeinflussen den Strombedarf, den ein Anbieter durch strategischen Einkauf decken muss. Diese Variablen sollen noch in das Modell integriert werden.

Quelle: www.pv-magazine.de